02.03.2020

Selbstständigkeit trotz Insolvenzverfahren: Geht das?

Ein eigenes Unternehmen birgt viele Chancen – aber auch das Risiko der Insolvenz. Doch was geschieht, wenn der Fall wirklich eintritt? Welche Folgen hat eine Insolvenz für die Selbstständigkeit und welches Insolvenzverfahren ist das richtige? Diese und weitere Fragen beantwortet dieser Artikel.

Selbstständigkeit trotz Insolvenz: So geht es

Der Beginn oder die Fortführung einer Selbstständigkeit trotz Insolvenz ist in Deutschland grundsätzlich möglich. Voraussetzung: Der Insolvenzverwalter stimmt gem. § 35 Abs. 2 der Insolvenzordnung (kurz: InsO) i.V.m. § 35 Abs. 3 InsO der geplanten oder fortzuführenden Tätigkeit zu. Dies kann beispielsweise durch eine sogenannte Freigabe der selbstständigen Tätigkeit oder einer verabredeten Beaufsichtigung der Selbstständigkeit durch den Insolvenzverwalter geschehen. Bei dieser nimmt der Schuldner sein Gewerbe unter Aufsicht und Regie des Insolvenzverwalters auf – oder führt dieses unter seiner Obhut fort.

In beiden Fällen hat der Schuldner glaubhaft ein funktionierendes Geschäftsmodell nachzuweisen. Der Schuldner muss belegen können, dass er durch die Selbstständigkeit hinreichend Überschüsse erzielt, um seinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Für den Nachweis ist ein detaillierter Businessplan zu erstellen, der Analysen zum Produkt bzw. der Dienstleistung des Unternehmens, der Zielgruppe sowie den möglichen Konkurrenten am Markt enthält. Tipp: Der Businessplan sollte mithilfe eines erfahrenen Rechtsbeistandes erstellt werden. Eine zuverlässige Firmen-Rechtsschutzversicherung hilft bei der Suche nach einem kompetenten Anwalt.

Insolvenz bei Selbstständigen: Wann muss ein Selbstständiger Insolvenz anmelden?

Eine Insolvenz für Selbstständige kommt nur dann in Betracht, wenn sich bei einer realistischen Einschätzung der wirtschaftlichen Situation herausstellt, dass der Selbstständige zahlungsunfähig ist oder dies in absehbarer Zeit sein wird. Der § 17 Abs. 2 InsO konkretisiert:

Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt.

Die drohende Zahlungsunfähigkeit definiert der § 18 Abs. 2 InsO wie folgt:

Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

Dies bedeutet für die Praxis: Weist der Selbstständige innerhalb von 3 Wochen Liquiditätslücken von mindestens 10 Prozent auf und kann er nicht davon ausgehen, diese in naher Zukunft zu begleichen, kommt eine Insolvenz für Selbstständige in Betracht.

Regelinsolvenz oder Privatinsolvenz?

In Deutschland existieren zwei verschiedene Arten der Insolvenz: die Regel- und die Privatinsolvenz. In der Insolvenzverordnung ist definiert, wer welche Form der Insolvenz durchlaufen muss. Es gilt:

  • Personen, die noch nie selbstständig waren, stellen gem. § 304 Abs. 1 InsO einen Antrag auf Privatinsolvenz.
  • Unternehmen sowie Personen, die aktuell selbstständig sind, müssen zwingend die Regelinsolvenz durchlaufen.
  • Ehemals Selbstständige dürfen Privatinsolvenz anmelden, wenn sie maximal 19 Gläubiger haben und keine offenen Forderungen aus früheren Arbeitsverhältnissen bestehen (§ 304 InsO).

 

Eine Selbstständigkeit schließt die Privatinsolvenz also zunächst aus. Hat der Selbstständige jedoch keine eigenen Angestellten, kann er auch die Privatinsolvenz beantragen. In diesem Fall fließt zwar auch das private Vermögen in die Insolvenzmasse, jedoch besteht im Gegenzug die Möglichkeit zur Restschuldbefreiung.

Insolvenz bei Selbstständigen: Achtung, Wohlverhaltensperiode!

Wer eine Insolvenz angemeldet hat, befindet sich in der sogenannten Wohlverhaltensperiode, sobald der Insolvenzverwalter das Restvermögen an die Gläubiger verteilt hat. Innerhalb der Wohlverhaltensperiode (Dauer: mindestens 3, höchstens 6 Jahre) muss der Schuldner gem. § 295 I InsO:

1. Eine angemessene Erwerbstätigkeit ausüben oder sich um eine solche bemühen.

2. Vermögen, dass er von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erwirbt, zur Hälfte an den Treuhänder herausgeben.

3. Jeden Wechsel des Wohnsitzes oder der Beschäftigungsstelle unverzüglich dem Insolvenzgericht anzeigen.

4. Zahlung zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder leisten. Selbstständige, die sich in der Wohlverhaltensperiode befinden, müssen ihre Gläubiger gem. § 295 II InsO durch Zahlung an den Treuhänder so stellen, wie diese stehen würden, wenn der Schuldner ein seiner Berufsausbildung angemessenes Dienstverhältnis eingegangen wäre.

Nach Ende der Wohlverhaltensperiode entscheidet das Insolvenzgericht gem. § 300 I InsO über die Erteilung der Restschuldbefreiung.

Pfändbarkeit des Einkommens: Das ist zu beachten

Insolvente Selbstständige und Freiberufler verfügen über kein festes Einkommen. Um die Pfändbarkeit ihres Einkommens zu ermitteln, wird zunächst ein sogenanntes fiktives Einkommen angesetzt. Dieses bemisst das Einkommen, welches der Schuldner in einer angemessenen, unselbstständigen Anstellung beziehen würde. Das fiktive Einkommen richtet sich nach:

  • Berufsabschluss
  • Berufserfahrung
  • Alter
  • gültigen Tarifverträgen 
  • Daten der Agentur für Arbeit

 

Achtung: Kann der Schuldner das fiktive Einkommen nicht erzielen und zahlt er aus diesem Grund zu wenig Geld an den Insolvenzverwalter, kann es zur Versagung der Restschuldbefreiung kommen.

Rechtsschutztipp 

  • Als Selbstständiger und Unternehmer sind Sie in besonderer Weise einer Vielzahl von Rechtsrisiken ausgesetzt. Im Falle eines Rechtsstreits hilft Ihnen der umfangreiche Rechtsschutz für Selbstständige und Unternehmer, Ihr gutes Recht durchzusetzen. Jetzt informieren!
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