04.08.2022

Nacherfüllung: So ist die Gesetzeslage

Fast jeder hat es schon einmal erlebt: Man kauft einen Gebrauchtwagen, einen Fernseher oder bestellt eine neue Küche – und stellt im Anschluss gravierende Mängel fest. Häufig lautet die erste Reaktion: „Ich trete vom Kaufvertrag zurück“. Doch ganz so einfach ist das nicht. Denn der Gesetzgeber räumt sowohl Kaufenden als auch Verkaufenden das Recht zur Nacherfüllung ein. Was genau sich dahinter verbirgt, erläutert dieser Artikel.

Nacherfüllung im BGB: Was versteht man darunter?

Die Begriffe „Nacherfüllung“ bzw. „Nachbesserung“ stammen aus dem Kaufrecht.

Gemäß § 433 Abs. 1 S. 2 ist eine verkaufende Person zur Übergabe eines mangelfreien Kaufgegenstandes verpflichtet. Ist der Kaufgegenstand nicht mangelfrei, darf die Kaufpartei jedoch nicht gleich vom Kaufvertrag zurücktreten. Denn: Das Gesetz sieht vor, dass ein geschlossener Kaufvertrag auch bei Mängeln der Kaufsache grundsätzlich erst einmal wirksam bleibt. Aus diesem Grund räumt das Gesetz Verkaufenden ein Nachbesserungsrecht ein. Dabei kann die kaufende Person gem. § 439 Abs. 1 BGB zwischen zwei Formen der Nacherfüllung wählen:

  • Nachbesserung oder
  • der Nachlieferung

 

Bei der Nachbesserung müssen Verkaufende den Mangel an der gelieferten Sache beseitigen, bei der Nachlieferung übergeben sie der Kaufpartei einen neuen, erfüllungstauglichen Kaufgegenstand. Alternativ kann – bei unerheblichen Mängeln – von der kaufenden Person eine Kaufpreisminderung verlangt werden.

Nachbesserung bei Werkverträgen: Das gilt

Eine ähnliche Regelung existiert auch, wenn statt des Kaufvertrages ein wirksamer Werkvertrag geschlossen wurde. Die gesetzliche Grundlage bildet § 634 Nr. 1 BGB. Darin heißt es:

„Ist das Werk mangelhaft, kann der Besteller, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach § 635 Nacherfüllung verlangen.“

Hat beispielsweise eine handwerkliche Fachkraft den an sie gestellten Auftrag nicht zur Zufriedenheit des oder der Auftraggebenden ausgeführt, hat die Fachkraft das Recht auf Nachbesserung. Wahlweise in Form einer Mangelbeseitigung oder der Herstellung eines neuen Werkes.

In diesem Zusammenhang lesenswert: „Das gekaufte Haus hat Mängel – was jetzt?

Wann entsteht ein Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs

Es gibt jedoch Konstellationen, in denen ein Nacherfüllungsanspruch ausgeschlossen ist bzw. vom Schuldner verweigert werden kann:

Zwar existieren für das Verlangen auf Nacherfüllung – neben der zweijährigen Verjährung der Mängelansprüche – keine bestimmten Fristen, innerhalb derer eine Nachbesserung verlangt werden muss. Allerdings ist die unverzügliche Untersuchungs- und Rügefrist nach § 377 Abs. 3 HGB bei Verträgen zwischen Kaufleuten zu beachten. Wer innerhalb der Gewährleistungszeit einen Mangel entdeckt, muss diesen unverzüglich mittels einer Mängelrüge anzeigen. Erfolgt die Mängelanzeige erst mit einiger Verzögerung, gilt die Ware als „genehmigt“ – die Gewährleistungsansprüche der kaufenden Person entfallen.

Die Nacherfüllungspflicht wird nach § 275 BGB begrenzt. Ist die gewählte Form der Nacherfüllung für den Verkaufenden/Auftragnehmenden von Anfang an unmöglich, darf die Nacherfüllung verweigert werden.

Ist die zu erbringende Leistung teilbar, kann auch eine sogenannte Teilunmöglichkeit vorliegen. Das ist dann gegeben, wenn im Falle einer Leistung, die aus mehreren Teilen besteht, nur ein Teil der Leistung nicht erbracht/nacherfüllt werden kann.

Ein Beispiel: Person A kauft von Person B einen Hund. Dieser hat eine Fehlstellung der Beine, welche durch eine Operation behoben werden könnte. Allerdings müsste der Hund nach der Operation regelmäßig zur tierärztlichen Untersuchung, was bei einem gesunden Tier nicht der Fall wäre.

In einem solchen Fall hat Person B unter Umständen ein Interesse an einer teilweisen Mängelbeseitigung, beispielsweise um den Rücktritt der Kaufpartei zu verhindern oder hohe Schadenersatzansprüche zu vermeiden.

Entstehen der verkaufenden/auftragnehmenden Partei durch die Nacherfüllung unverhältnismäßig hohe Kosten, darf diese abgelehnt werden. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes liegt eine solche Unverhältnismäßigkeit vor, wenn die Kosten der Nacherfüllung mehr als 150 Prozent des Wertes der Sache in mangelfreiem Zustand oder 200 Prozent des mangelbedingten Minderwertes betragen würden.

Recht auf Nacherfüllung: Wann besteht ein Anspruch?

Ein Anspruch auf Nacherfüllung besteht, wenn:

  • Ein wirksamer Kauf- bzw. Werkvertrag geschlossen wurde
  • Der Kaufgegenstand bzw. das vereinbarte Werk bei Gefahrübergang mangelhaft sind
  • im Vertrag wurde kein wirksamer Gewährleistungsausschluss vereinbart

 

Auf ein Verschulden des Verkaufenden bzw. der auftragnehmenden Person kommt es hingegen nicht an.

Was besagt das Zurückbehaltungsrecht

Wer einen mangelhaften Gegenstand kauft, dem steht ein sogenanntes Zurückbehaltungsrecht zu. Der Kaufpreis muss erst gezahlt werden, wenn eine erfolgreiche Nachbesserung vorgenommen wurde. Gleichzeitig muss die kaufende Person dem Verkaufenden die Kaufsache zum Zwecke der Nacherfüllung zur Verfügung stellen (§ 439 Abs. 5 BGB).

Auch der verkaufenden Person steht unter Umständen ein Zurückbehaltungsrecht zu. Dann nämlich, wenn sie die Nacherfüllung in Form einer Ersatzlieferung vornimmt. Nach § 439 Abs. 6 S. 1 BGB kann der Verkaufende vom Kaufenden die Rückgabe der mangelhaften Sache verlangen. Bis diese übergeben wurde, darf er die Ersatzlieferung i.S.d. § 348 BGB zurückbehalten.

Wann gilt eine Nacherfüllung als gescheitert?

Kaufende bzw. auftraggebende Personen müssen nicht unendlich viele Nachbesserungsversuche tolerieren. Gem. § 440 S. 2 BGB gilt eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Nur in Einzelfällen sind mehrere Versuche gestattet. Beispielsweise dann, wenn der Mangel schwer zu beheben ist oder ungewöhnlich widrige Umstände bei vorangegangenen Nachbesserungsversuchen vorlagen (BGH-Urteil, Az.: VIII ZR 166/06).

Ist die Nachbesserung tatsächlich fehlgeschlagen, darf die kaufende bzw. auftraggebende Person gem. §§ 437 Nr. 2 i.V.m. § 323 BGB vom Kauf-/Werkvertrag zurücktreten.

Der letzte Ausweg: Die Klage auf Nacherfüllung

Das Verlangen auf Nachbesserung ist ein Recht, das sowohl kaufenden als auch verkaufenden Personen zusteht. Das bedeutet: Beide können vor dem Rücktritt vom Vertrag verlangen, dass eine Nachbesserung erfolgt.

Weigert sich eine Partei, die Nacherfüllung vorzunehmen bzw. vornehmen zu lassen, kann eine Klage auf Nacherfüllung angestrebt werden. Diese ist beim örtlich und sachlich zuständigen Gericht einzureichen. Der ALLRECHT Privatrechtsschutz unterstützt bei der Suche nach einem kompetenten Rechtsbeistand.

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