06.04.2023

Arbeitszeiterfassung: Pflicht zur Zeiterfassung für Unternehmen gilt ab sofort

Deutschlandweit müssen ab sofort alle Betriebe die Arbeits- und Pausenzeiten ihrer Belegschaft dokumentieren. Eine entsprechende Pflicht zur Arbeitszeiterfassung hat das Bundesarbeitsgericht (kurz: BAG) in seinem Urteil vom 13. September 2022 (Az.: 1 ABR 22/21) bestätigt. Was genau das BAG-Urteil für Unternehmen bedeutet, wie die Vorgaben umgesetzt werden und welche Sanktionen bei Verstößen drohen, fasst dieser Artikel zusammen.

Urteil zur Stundenerfassung: Welche Änderungen bringt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung mit sich?

Die bisherigen Arbeitszeit-Regelungen in Deutschland sahen für Unternehmen lediglich eine Pflicht vor, Überstunden sowie Arbeitszeiten an Sonn- und Feiertagen ihrer Mitarbeitenden zu dokumentieren.

Das ändert sich nun. In Bezug auf das sogenannte „Stechuhr-Urteil“ zur Arbeitszeiterfassung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) fällte auch das Bundesarbeitsgericht ein richtungsweisendes Urteil. Demzufolge sind ab sofort alle Unternehmen zur Erfassung der gesamten Arbeitszeit verpflichtet. Und zwar unabhängig von der Betriebsgröße, der Branche und auch unabhängig davon, ob ein Betriebsrat existiert oder nicht.

Eine etwaige Umsetzungsfrist – etwa zur Errichtung eines entsprechenden Zeiterfassungssystems – existiert nicht.

Das BAG beruft sich in seinem Urteil auf § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG. Darin heißt es:

„Zur Planung und Durchführung der Maßnahmen nach Absatz 1 hat der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen.“

Die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung betrifft alle Arbeitnehmenden i.S.d. § 5 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz (kurz: BetrVG). Ob darunter auch leitende Angestellte fallen, ist derzeit nicht vollständig geklärt. Der europarechtliche Begriff des „Arbeitnehmenden“ umfasst auch leitende Angestellte. Die deutsche Arbeitszeitrichtlinie nimmt jedoch Mitarbeitende von der Regelung aus, deren Arbeitszeit aufgrund besonderer Merkmale nicht bemessen und vorherbestimmt werden kann.

Urteil zur Arbeitszeiterfassung: Wie müssen die Vorgaben konkret umgesetzt werden?

In welcher Form die Arbeitszeit zukünftig erfasst werden muss, legt das BAG-Urteil nicht fest. Bereits in einem vergleichbaren Urteil des Europäischen Gerichtshofes (Az.: C-55/18) hieß es jedoch, die Arbeitszeiterfassung müsse:

  • verlässlich
  • objektiv und
  • leicht zugänglich

 

sein.

Möglichkeiten der Dokumentation

Grundsätzlich ist sowohl die Dokumentation in Papierform als auch die digitale Zeiterfassung zulässig. Folglich können Arbeitszeiten wie folgt dokumentiert werden:

  • Stationäres System: Mitarbeitende melden sich per Karte, Chip oder Smartphone an Terminals im Betrieb an.
  • Stempeluhr: Die klassische Stempeluhr ist weiterhin zulässig, aufgrund der digitalen Datenverarbeitung jedoch nicht zukunftsfähig.
  • Niederschrift: Arbeitsbeginn und -ende sowie Pausenzeiten werden per Hand auf dem Stundenzettel festgehalten.
  • Smartphone oder PC: Die An- und Abmeldung erfolgt per Mausklick am Computer oder per App auf dem Smartphone.

Arbeitszeiten erfassen: Ist Vertrauensarbeitszeit weiterhin zulässig?

Als Vertrauensarbeitszeit wird ein flexibles Arbeitszeitmodell bezeichnet, bei welchem Arbeitnehmende in Eigenverantwortung über Beginn und Ende ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit entscheiden können. Dabei vertraut der Betrieb darauf, dass Mitarbeitende ihren vertraglichen Arbeitsverpflichtungen nachkommen.

Das Urteil des Bundesarbeitsgerichtes widerspricht der Zulässigkeit von Vertrauensarbeitszeit nicht. In der Urteilsbegründung heißt es:

 

„Es sei […] nicht ausgeschlossen, die Aufzeichnung der betreffenden Zeiten als solche an die Arbeitnehmer zu delegieren“

Folglich dürfen Arbeitgebende die Stundenerfassung der Arbeitszeit weiterhin an ihre Mitarbeitenden übertragen. Allerdings sind die aktuellen Vorgaben des BAG einzuhalten. Das bedeutet: Unternehmen müssen trotz Vertrauensarbeitszeit alle Arbeitszeiten – und nicht nur wie bisher Überstunden und Sonntagsarbeit – dokumentieren.

Darüber hinaus dürften Betriebe eine Prüfpflicht haben. Sie müssen entsprechende Zeiterfassungseinträge von Mitarbeitenden mit Vertrauensarbeitszeit stichprobenartig überprüfen und etwaigen Widersprüchen aktiv nachgehen.

Was bedeutet die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung für das Homeoffice?

Das aktuelle BAG-Urteil findet auch auf Telearbeit und Homeoffice Anwendung und bringt neue Herausforderungen mit sich. Der Grund: Mitarbeitende im Homeoffice können sich nicht im Betrieb via Stempeluhr an- und abmelden.

Es ist zu erwarten, dass der manuellen und digitalen Arbeitszeiterfassung zukünftig eine größere Bedeutung zukommt. So ist beispielsweise denkbar, dass Arbeitnehmende im Homeoffice ihre Arbeitszeiten in einer Excel-Tabelle oder in Papierform festhalten und anschließend an ihren Betrieb übermitteln. Alternativ können die Arbeitszeiten per App oder über ein Mitarbeitendenportal protokolliert werden.

Wichtige Änderung: Nach dem Urteil des BAG ist ab sofort nicht nur geleistete Mehrarbeit, sondern die gesamte Arbeitszeit im Homeoffice zu erfassen.

Gesetz zur Arbeitszeiterfassung: Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Aktuell ist bei Verstößen gegen die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung nicht mit Bußgeldern zu rechnen. Der Grund: Das BAG-Urteil bezieht sich auf die Regelungen des § 3 ArbSchG. Gemäß § 25 ArbSchG werden Verstöße gegen diesen Paragraphen noch nicht mit der Verhängung eines Bußgeldes geahndet.

Ausnahme: Verhängt die zuständige Arbeitsschutzbehörde eine vollziehbare Anordnung (beispielsweise zur Einführung eines Zeiterfassungssystems), die sich aus den Pflichten des Arbeitsschutzgesetzes ergibt, können entsprechende Verstöße ein Bußgeld von bis zu 30.000 Euro nach sich ziehen.

Nichtsdestotrotz können vor allem im Homeoffice oder bei Vertrauensarbeitszeit Streitigkeiten auftreten – etwa wenn Führungskräfte den Mitarbeitenden doch nicht vertrauen und unrechtmäßig die Arbeitszeiten überprüfen wollen, oder aber wenn die Beschäftigten das Vertrauenssystem ausnutzen.

Um Streitigkeiten schnell beizulegen hilft ein Firmen-Rechtsschutz Arbeitgebenden und ein Berufs-Rechtsschutz Arbeitnehmenden dabei, juristischen Beistand hinzuzuziehen und Ansprüche durchzusetzen.

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