16.03.2020

Schutz vor Scheinbewerbungen: Müssen Unternehmen eine Entschädigung zahlen?

Eine Bewerbung zu schreiben, um abgelehnt zu werden? Was für viele Arbeitssuchende suspekt klingt, ist im Geschäftsalltag eine bekannte Betrugsmasche. Denn wer aufgrund einer Diskriminierung abgelehnt wird, hat unter Umständen das Recht auf Entschädigung. Doch ab wann ist eine Bewerbung eigentlich eine Scheinbewerbung? Welche Vorschriften kennt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz und wie verhalten sich Arbeitgeber im Falle einer Scheinbewerbung richtig?

Scheinbewerbung: Was versteht man darunter?

Als Scheinbewerbung wird eine Bewerbung bezeichnet, welche nur den Anschein einer ernst gemeinten Bewerbung erwecken soll. Tatsächlich sendet der Bewerber seine Bewerbungsunterlagen jedoch nicht ein, um sein reales Interesse an der ausgeschriebenen Stelle zu bekunden, sondern um auf Grundlage des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (kurz: AGG) eine Entschädigung einzuklagen.

Denn: Wird die Scheinbewerbung abgewiesen, gibt der Bewerber an, aufgrund bestimmter persönlicher Merkmale und nicht aufgrund fehlender Qualifikation abgelehnt worden zu sein. Das Besondere: Die Beweislast liegt beim Arbeitgeber. Dieser muss beweisen, dass er den vermeintlichen Bewerber nicht diskriminiert und nachweisbar mangels Qualifikation abgelehnt hat.

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Detail

Analog zu Art. 3 des Grundgesetzes soll auch nach dem AGG jeder Mensch vor dem Gesetz gleich behandelt werden. Gemäß § 19 AGG darf niemand wegen:

  • seines Geschlechtes
  • seiner Abstammung
  • seiner Rasse oder Sprache
  • seiner Heimat und Herkunft
  • seines Glaubens
  • seiner religiösen oder politischen Anschauung

 

bevorzugt oder benachteiligt werden. Auch ist es per Gesetz verboten, Menschen mit Behinderungen im Bewerbungsprozess zu benachteiligen.

Das AGG findet häufig im Arbeitsrecht Anwendung. Es gilt sowohl für Auszubildende, Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen als auch für ehemalige Mitarbeiter, Leiharbeitnehmer und Bewerber.

Rechte von Arbeitnehmern bei Ungleichbehandlung

Das AGG gilt nicht nur für Bewerbungen, sondern auch bei Ungleichbehandlungen im Arbeitsalltag. So kann beispielsweise das Mobbing durch Arbeitskollegen oder den Chef unter die Vorschriften des AGG fallen. Auf Grundlage des Gleichstellungsgesetzes haben betroffene Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich gegen die Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz zu wehren.

1. Beschwerde einlegen

Wer am Arbeitsplatz diskriminiert wird, sollte zunächst seinen Vorgesetzten oder den Gleichstellungsbeauftragten des Unternehmens informieren. Existiert ein Betriebsrat, ist auch dieser zu kontaktieren, denn gemäß § 17 AGG hat der Betriebsrat die Einhaltung der Vorschriften des Gleichbehandlungsgesetzes zu überwachen.

2. Verweigerung der Arbeit

In besonders schweren Fällen der Diskriminierung, beispielsweise bei schwerem Mobbing oder sexueller Belästigung, hat der betroffene Arbeitnehmer ein Recht auf Arbeitsverweigerung. Dies gilt jedoch nur, wenn der Arbeitgeber über die Diskriminierung informiert wurde und dieser es unterlassen hat, zeitnah etwas dagegen zu unternehmen.

3. Beweise sammeln

Bei allen Fällen von Diskriminierung gilt: Betroffene sollten umfangreiche Beweise sammeln, um sich vor einer eventuellen Abmahnung oder Kündigung (beispielsweise wegen Arbeitsverweigerung) zu schützen. Wichtige Beweise sind unter anderem Dokumente, in denen der betroffene Arbeitnehmer von Kollegen diffamiert wird oder Zeugenaussagen von Betriebszugehörigen, welche die Diskriminierung bestätigen können.

4. Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen

Wer nachweisbar aufgrund persönlicher Merkmale wie Geschlecht, Religion oder Sprache am Arbeitsplatz diskriminiert wird, hat ein Recht auf Schadenersatz. Betroffene sollten entsprechende Ansprüche mithilfe eines Rechtsbeistandes geltend machen. Eine zuverlässige Berufs-Rechtsschutzversicherung hilft bei der Suche nach einem fachkundigen Anwalt. Achtung: Gemäß § 21 Abs. 5 AGG gilt für die Geltendmachung eine Frist von zwei Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem der Anspruchsteller Kenntnis von der Diskriminierung erlangt.

Checkliste Fake-Bewerbung: So können sich Arbeitgeber schützen

Um etwaige Schadenersatzforderungen zu vermeiden, sollten Arbeitgeber:

  • Stellenanzeigen geschlechts- und altersneutral formulieren
  • Stellenanzeigen ohne Erwartungen an eine bestimmte Religionszugehörigkeit verfassen
  • Stellenanzeigen nicht auf die sexuelle Identität des Bewerbers beziehen
  • die Bewerbungsprozesse sorgfältig dokumentieren und etwaige Ablehnungsschreiben so formulieren, dass die fehlende Qualifikation klar als Ablehnungsgrund ersichtlich wird

 

Aktuelle Rechtsprechung: Wichtige Urteile zu Scheinbewerbungen

Der wohl berühmteste Fall einer Scheinbewerbung wurde im Jahr 2009 verhandelt. Ein Jurist klagte auf Schadenersatz, nachdem seine Bewerbung bei einem Versicherungskonzern abgelehnt worden war. Die finale Verhandlung fand vor dem Bundesarbeitsgericht statt. Dieses kam zu dem Urteil (Az.: 8 AZR 997/12), dass es sich bei der Bewerbung um eine Scheinbewerbung gehandelt habe, da der Bewerber eine spätere Einladung zum Vorstellungsgespräch ausschlug. Der Europäische Gerichtshof bestätigte diese Entscheidung (Az.: C 423/15) und stellte fest: Sobald eine Person mit einer Bewerbung nicht die betreffende Stelle, sondern nur den formalen Status als Bewerber mit dem Ziel, eine Entschädigung geltend machen zu können, erlangen möchte, liegt ein Rechtsmissbrauch und somit eine Scheinbewerbung vor.

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