09.07.2018 – zuletzt aktualisiert am: 14.12.2022
Pflegegrade: Beantragung, Einstufung und Leistungen

Wenn man aufgrund von Krankheit oder körperlichen bzw. geistigen Einschränkungen nicht mehr allein für sich sorgen kann, ist man auf die Pflege durch andere angewiesen. In diesen Fällen entscheidet der Pflegegrad darüber, welche Ansprüche Pflegebedürftigen zustehen. Aber welche Pflegegrad-Einstufungen gibt es, wie werden die Punkte für Pflegegrade berechnet und wie wird ein Pflegegrad beantragt? Dieser Beitrag klärt auf.
Pflegegrade Definition: Was bedeutet die Einstufung?
Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer – voraussichtlich für mindestens sechs Monate – und mit mindestens der in § 15 SGB XI festgelegten Schwere bestehen.
Um die Pflege von Bedürftigen gerechter zu gestalten, wurden mit der Pflegereform 2017 insgesamt fünf Pflegegrade etabliert. Diese Pflegegrade ersetzen die vorherigen Pflegestufen.
Entscheidender Faktor für die Bestimmung eines Pflegegrads ist das Maß an Pflegebedürftigkeit bzw. an Beeinträchtigung der Selbständigkeit. Der Pflegegrad wird seit 2017 nicht mehr anhand des Pflegeaufwandes in Minuten errechnet, sondern anhand des tatsächlichen Pflegebedarfs, welcher nach einem Punktesystem ermittelt wird im Rahmen einer Pflegebegutachtung. Die Pflegegrad-Einstufung entscheidet schließlich darüber, welche Art der Pflege Erkrankten zusteht und welche Sachleistungen diese beziehen dürfen.
Maßgebliche Neuerungen brachte zuletzt die Pflegereform 2021/2022 mit sich: Darin wurden die Zuschüsse für Pflegeheim-Kosten und die Pflegesachleistungen angehoben. Darüber hinaus wurde das Gehalt von Pflegepersonal erhöht.
Pflegegrade Einstufung: Diese Pflegegrade gibt es
Eine konkrete Einstufung in den jeweiligen Pflegegrad muss erfolgen, um Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten zu können. Der Pflegegrad unterteilt sich in Stufen von 1-5 und regelt, wie hoch der Hilfebedarf des Pflegebedürftigen und dementsprechend auch das Pflegegeld ausfallen. Diese Pflegegrade Punkte-Tabelle liefert eine Übersicht:
Pflegegrad | Punktzahl | Grad der Beeinträchtigung der Selbständigkeit |
1 | 12.5 bis 27 Punkte | geringe Beeinträchtigung |
2 | 27 bis unter 47,5 Punkte | erhebliche Beeinträchtigung |
3 | 47.5 bis unter 70 Punkte | schwere Beeinträchtigung |
4 | 70 bis unter 90 Punkte | schwerste Beeinträchtigung |
5 | 90 bis 100 | schwerste Beeinträchtigung der Selbständigkeit mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung |
Nicht nur im hohen Alter können Personen pflegebedürftig werden. Auch wegen Krankheiten und körperlichen Einschränkung kann ein Pflegerad festgestellt werden. Dazu zählen unter anderem:
- Diabetes
- Krebserkrankungen
- ALS
- Parkinson
- Epilepsie
- Multiple Sklerose (MS)
- Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung (COPD)
- Schlaganfälle
- Psychische Erkrankungen
Die aktualisierte Pflegerad-Einstufung seit 2017 soll gewährleisten, dass auch an Demenz Erkrankte oder Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen eine angemessene Unterstützung erhalten. Da sie eine starke psychische, aber weniger körperliche Beeinträchtigung aufweisen, fielen sie vor der Reform 2017 durch das Raster der Pflegestufen.
Demenzerkrankte haben seitdem je nach Ausprägung der Einschränkungen einen Anspruch auf Pflegegeld und auf Sachleistungen von der Pflegekasse und erhalten Zuschüsse für Umbaumaßnahmen an ihrem Wohnort.
Wie bei anderen Einschränkungen auch wird die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit anhand verschiedener Punkte ermittelt und die betroffene Person erhält einen entsprechenden Pflegegrad. Die Einstufung des Pflegegrades bei Demenz hängt entsprechend vom Einzelfall ab.
Pflegegrade ermitteln durch eine Pflegebegutachtung
Über die Stufe des Pflegegrads entscheidet bei gesetzlich Versicherten ein Gutachten des MDK (Medizinischer Dienst der Krankenversicherung) bei einem persönlichen Termin mit der Antragstellerin oder dem Antragsteller.
In einem diagnostischen Verfahren wird die körperliche und geistige Verfassung und somit das Ausmaß der Selbstständigkeit bewertet. Dieses erfolgt über ein festgelegtes Punktesystem – je höher die vergebenen Punkte, desto höher der Pflegebedarf und somit auch der Pflegegrad.
Der Gutachter oder die Gutachterin berücksichtigt nicht nur körperliche Einschränkungen des Antragstellers, sondern ganz gezielt auch dessen geistige Verfassung.Auch ist es von Vorteil, einige Beispiele anzubringen, die besonders aufwendige Pflegesituationen aus dem Pflegealltag schildern.
Der Termin mit dem MDK findet in aller Regel bei der pflegebedürftigen Person zu Hause statt und dauert nicht länger als 90 Minuten. Die Pflegekasse ist nach dem Termin verpflichtet, die Entscheidung über die Einstufung in einen Pflegegrad innerhalb von fünf Wochen schriftlich an die antragstellende Person mitzuteilen.
Tipp: Mit einem Pflegegrad-Rechner kann man sich eine erste Einschätzung zum bestehenden Pflegegrad einholen und sich auf die anstehenden Fragen der Pflegebegutachtung vorbereiten.
Wie werden die Punkte für Pflegegrade berechnet?
Zur Ermittlung des Pflegegrads werden insgesamt 64 Fragen aus sechs Lebensbereichen gestellt. Je Bereich werden entsprechend Punkte vergeben und schlussendlich addiert, wodurch sich der Pflegegrad je nach Punktzahl zuordnen lässt (siehe obige Tabelle). Kriterium ist in den befragten Bereichen die Häufigkeit der notwendigen Unterstützung. Folgende Bereiche werden abgefragt:
- Mobilität
Ist es beispielsweise der Person möglich, ihre Position zu wechseln und sich selbstständig fortzubewegen?
- Kommunikation
Erkennt die Person noch Alltagsgegenstände, Orte und andere Menschen? Beteiligt sie sich an Gesprächen und erinnert sie zurückliegende Ereignisse?
- Verhalten
Gibt es Auffälligkeiten wie Aggression gegenüber anderen, Anzeichen von Depressionen oder Ängsten?
- Selbstversorgung
Sind Tätigkeiten wie Körperpflege, Nahrungsaufnahme, Ankleiden und der Toilettengang ohne Hilfe möglich?
- Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen
Ist im medizinischen Bereich Unterstützung nötig? Kann die begutachtete Person selbst Medikamente einnehmen oder therapeutische Einrichtungen besuchen?
- Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte
Besteht Interaktion zu Personen des direkten Umfelds? Kann der Tagesablauf selbstständig gestaltet werden und macht die Person Pläne für die Zukunft?
Pflegeleistungen: Ansprüche nach Pflegegraden
Pflegekassen zahlen Versicherten Pflegeleistungen, beispielsweise Pflegegeld oder Hilfsmittel. Dabei wurden folgende Leistungen der Pflegeversicherung abhängig vom festgestellten Pflegegrad festgesetzt*:
Pflegeleistungen | Pflegegrad 1 | Pflegegrad 2 | Pflegegrad 3 | Pflegegrad 4 | Pflegegrad 5 |
Pflegegeld (monatl.) | Kein Anspruch | 316 Euro | 545 Euro | 728 Euro | 901 Euro |
Pflegesachleistungen (monatlich) | Kein Anspruch | 724 Euro | 1363 Euro | 1693 Euro | 2095 Euro |
Kurzzeitpflege (jährlich) | Kein Anspruch | 1774 Euro | 1774 Euro | 1774 Euro | 1774 Euro |
Verhinderungspflege (jährlich) | Kein Anspruch | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro | 1612 Euro |
Vollstationäre Pflege (monatlich) | Kein Anspruch | 770 Euro | 1262 Euro | 1775 Euro | 2005 Euro |
Betreuungs- und Entlastungsleistungen | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro | 125 Euro |
Pflegehilfsmittel | Bis zu 40 Euro | Bis zu 40 Euro | Bis zu 40 Euro | Bis zu 40 Euro | Bis zu 40 Euro |
Hausnotruf (monatlich) | 25,50 Euro | 25,50 Euro | 25,50 Euro | 25,50 Euro | 25,50 Euro |
Wohnraumanpassung (je Gesamtmaßnahme) | 4000 Euro | 4000 Euro | 4000 Euro | 4000 Euro | 4000 Euro |
Wohngruppenzuschuss (monatlich) | 214 Euro | 214 Euro | 214 Euro | 214 Euro | 214 Euro |
Tages und Nachtpflege (monatlich) | Kein Anspruch | 689 Euro | 1298 Euro | 1612 Euro | 1995 Euro |
* Stand: 27.10.2022
Hinweis: Ab einer Einstufung von Pflegegrad 2 oder 3 besteht ein Recht auf eine Unterbringung im Pflegeheim. Alternativ kann man Tages- und Nachtpflege in Anspruch nehmen oder ein ambulantes betreutes Wohnen sowie Senioren-WGs. Ab einem Pflegegrad von 4 oder 5 sind Pflegeheime eine besonders sichere Versorgungsform von Pflegebedürftigen.
Einstufung des Pflegegrades beantragen: So geht‘s

Um Leistungen aus der Pflegeversicherung zu erhalten, muss eine konkrete Einstufung in den jeweiligen Pflegegrad erfolgen. Der Pflegegrad kann auf verschiedene Wege beantragt werden:
- Pflegerad telefonisch beantragen: Per Anruf kann die Pflegekasse für eine Zuerkennung des Pflegegrades durch die Versicherten beauftragt werden. Folgend erhalten die Antragstellenden ein Formular, welches ausgefüllt und unterschrieben an die Pflegekasse zurückgeschickt werden muss. Das Ausfüllen der Papiere können auch gesetzlich Betreuende der Pflegeperson übernehmen.
- Schriftliche Beantragung: Hier reicht ein formloser Antrag auf Pflegeleistungen aus, Dieser wird bei der Pflegekasse gestellt.
- Unterstützung vom Pflegestützpunkt: Pflegestützpunkte beraten Pflegebedürftige und unterstützen vor Ort bei der Stellung des Antrags.
- Pflegegrad Formular der Pflegekasse ausfüllen: Im Internet gibt es vorgefertigte Formulare für Anträge bei der Pflegekasse. Diese müssen lediglich ausgefüllt und zu der entsprechenden Pflegekasse geschickt werden.
Höherer Pflegegrad: Höherstufung beantragen
Wird der zugewiesene Pflegegrad nicht mehr dem Unterstützungsbedarf der zu pflegenden Person gerecht oder es kommen neue Einschränkungen hinzu, kann ein Verschlimmerungsantrag notwendig werden.
Dabei kann man auch das Personal in ambulanten Pflegediensten und Pflegeheimen zu Rate ziehen. Für die Höherstufung des Pflegegrades geht man folgend vor:
- Verfassen eines formlosen Briefes an die Pflegekasse, indem um die Höherstufung gebeten wird.
- Die Pflegekasse schickt ein Formular für die Höherstufung. Eventuell überprüft eine sachverständige Person die Situation und den Zustand der zu pflegenden Person vor Ort.
- Der Pflegegrad wird je nach Ergebnis der Prüfung von der Pflegekasse hochgestuft und es können angepasste Leistungen bezogen werden.
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Für festgestellten Pflegegrad Widerspruch einlegen
Wenn das Ergebnis vorliegt und man der Meinung ist, dass man selbst oder eine angehörige Person nicht den angemessenen Pflegegrad erhalten hat, kann man innerhalb von 4 Wochen Widerspruch bei der Pflegekasse einlegen. Das Pflegegutachten wird dann erneut geprüft und beurteilt, ob eventuell falsch bewertet wurde. Kommt es zu einem Streit im Widerspruchsverfahren, zahlt sich eine Rechtsschutzversicherung aus.
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